schlimmer geht immer

gelesen: mundtot

Ich gebe zu, ich bin sonst nicht der typ, der erfahrungsbücher liest, aber das musste ich lesen, denn es geht um eine junge frau mit einer schweren muskelkrankheit. Das ist selten, erfahrungsbücher sind krebslastig. meistens. Was ich erwartet habe, weiß ich nicht, vielleicht wollte ich mich selbst wiederfinden. Im nachhinein denke ich, dass diese vorstellung naiv war, denn jede erfahrung und jeder mensch ist anders. Eine kritik darüber zu schreiben, macht eigentlich keinen sinn.

Warum ich dann von diesem buch schreibe? Weil es mich merkwürdig zerissen zurückgelassen hat. Auf der einen seite war ich sehr beeindruckt von der kraft und dem lebenswillen der autorin, auf der anderen seite fand ich sie nervig und auf eine komische weise selbstzentriert und alt. (natürlich selbstzentriert, es geht ja schließlich um ihr Leben, trotzdem…) Und hatte sofort in schlechtes gewissen: darf man überhaupt etwas schlechtes denken und schreiben, wenn es jemandem so mies gibt. Darf ein todkranker einem unsympathisch sein?

Man ist nicht behindert, man WIRD behindert, so das credo dieses buches. Es geht ums kämpfen, um das erringen einer daseinsberechtigung in dieser welt. Dieses „ich bin hier und ich wehre mich“ zieht sich durch jeden satz, durch jede seite. Was ich in diesem Buch nicht gefunden oder gespürt habe, ist die Autorin. Nur eine riesengroße Anklage.

„mundtot“ ist authentisch und ehrlich, und es rüttelt hoffentlich den ein oder anderen auf, behinderte gleichberechtigt zu behandeln. Aber mehr finde ich nicht zwischen den seiten, eine demütigende erfahrung reiht sich an die andere und ich möchte rufen: wie gehst DU eigentlich wirklich damit um. Es kann sich doch nicht nur darum drehen, wie man die ignoranz der meisten menschen verarbeitet! Was möchtest du noch sagen, das kann doch nicht alles sein!

Maria Langstroffs Buch ist auf der Spiegelbestsellerliste, sie wird vom SAT1 Frühstücksfernsehen gefeatured und hat die Seite 3 der SZ bekommen. Halt nein, nicht ihr Buch – SIE selbst.  Es ist ihr Schicksal, ihre schreckliche Krankheit, die Aufmerksamkeit der Medien bekommt. So etwas lieben die Menschen, auch wenn es keiner zugeben mag, die Mischung aus Sensationsgier und Mitgefühl. Die Marketingmaschinerie ist angesprungen. Darf man das so sagen, bei der persönlichen geschichte, die dahinter steht?

Wahrscheinlich stehe ich mit meiner Meinung ziemlich allein da, aber weder das Buch, noch die Schreibe ist mir sympathisch. Ich gönne Maria den Erfolg und ich hoffe, dass ihre wichtige Message ankommt, aber ich hoffe auch, dass sie nicht als Sinnbild für alle Muskelkranken, für alle Pflegebedürftigen stehen wird – sondern nur als dass was es ist: eine subjektive Sichtweise.

Und ja: Man darf einen schwerkranken unsympathisch finden, auch wenn man gleichzeitig respekt empfindet. Wie gesagt, es war naiv zu hoffen, dass man sich selbst in einer anderen geschichte wiederfindet. Schließlich sind wir alle idividuen.

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